Auch für Familie Leitner stellte sich, wie für viele andere Bauernfamilien auch, irgendwann die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie ihren Hof weiterführen können oder ob sie den Betrieb überhaupt einstellen. Einige Überlegungen und gute Ideen später, kam schließlich das klare Bekenntnis zur Weiterführung und mit ihr der Plan für einen neuen Stallbau für ihren Bio-Milchviehbetrieb.
Johannes, als ihr 2021 nach vier verschiedenen Einreichplänen mit dem Bau eures neuen Stalles begonnen habt, was war euch da besonders wichtig?
Viel Platz, Luft, saubere Liegeboxen als Tiefboxen und eine ordentliche Abkalbebox mit Kälberbereich, waren die wichtigsten Punkte für uns. Keine Sackgassen und auch keine Decke im Stall, alles sollte möglichst so sein, wie es der Kuh gefällt, was auch der Grund für die Entscheidung zum Melkroboter mit freiem Kuhverkehr war. Am 13. Dezember 2021 durfte die erste Kuh den neuen Stall begutachten. Aller Anfang ist schwer, das mussten auch wir feststellen, aber nach nun fast zwei Jahren im neuen Stall sind wir froh, diesen Schritt gewagt zu haben.
Hat der neue Stall für euch auch aus Sicht der Arbeitseffizienz Vorteile gebracht?
Wir haben versucht unseren neuen Stall so zu planen, dass alle täglichen Arbeiten nicht nur schnell, sondern auch möglichst unkompliziert erledigt werden können. Bei jeder Idee, die ein Planer hatte, haben wir versucht uns vorzustellen, wie das dann jeden Tag ablaufen würde. Der Kälberbereich befindet sich etwa zwischen Melkroboter und Milchkammer, wodurch man kurze Wege hat und immer unter Dach bleibt. Darüber haben wir eine Betondecke errichtet, um im Winter Zugluft zu vermeiden. Gleichzeitig kann auf dieser Decke Stroh gelagert werden, ein Strohballen kann leicht mit dem Frontlader auf diese Decke gehoben werden. Über eine sichere, betonierte Stiege gelangt man nach oben und kann in wenigen Minuten Kälberstall und Abkalbebox einstreuen.
Gibt es noch weitere Vorteile durch den Stallumbau?
Das ein Melkroboter und eine Schieberentmistung unsere tägliche Arbeit leichter machen, können wir nur bestätigen. Die Zwischengänge mit einem Handschieber zu reinigen dauert zweimal am Tag fünf Minuten, diese fünf Minuten kann man gleichzeitig zur Tierbeobachtung nutzen. Alle Laufgänge haben am Ende ein Tor ins Freie so kann leicht Einstreumaterial in die Boxen transportiert werden. Alle drei Monate erstellen wir eine Kalk-Stroh Mischung, die Tiere kommen auf die Weide oder Auslauf und mit dem Hoftraktor wird eingestreut. Die ganze Aktion schafft man allein an einem Tag, die Tiere werden ca. 1,5 Stunden gestört, öffnet man das Weidetor im richtigen Moment, merken sie es gar nicht.
Wieviel Aufwand steckt hinter dem Füttern der Kühe und Kälber?
Wir erstellen im Sommer jeden Tag, im Winter jeden zweiten Tag eine Futtermischung mit dem Mischwagen. Zu zweit hat man das in ca. zwanzig Minuten erledigt. Beginnt man die Mischarbeit nach dem Tränken der Kälber, ist man gleichzeitig mit den Kälbern fertig und kann sofort die Nuckeleimer sauber machen. Sind die Temperaturen kühl genug, sodass wir für zwei Tage mischen können, dauert der ganze Spaß nur zwei Minuten, da man nur kurz mit dem Mischwagen Futter vorlegen muss. Ist man zu zweit im Stall, macht es nicht nur mehr Spaß, man hat auch in einer Stunde alle Arbeiten, inklusive sauber machen und Kühe beobachten, erledigt, auch allein ist das zu bewältigen. Die Stallarbeit kann auch mal am Nachmittag erledigt werden und der Abend ist dann frei. Wir arbeiten ständig daran bei der Fütterung noch besser auf die Kuh einzugehen, damit Stoffwechsel und Fruchtbarkeitsprobleme gar nicht erst auftauchen. Für uns sollte eine Bio-Milchkuh allerdings auch nicht mehr als 30 Liter am Tag geben müssen, die Langlebigkeit und nicht die Leistung steht für uns im Vordergrund.
Und worauf achtet ihr speziell, wenn es darum geht, Tierwohl aktiv zu fördern?
Großzügige Abkalbeboxen mit einer dicken Stohmatratze waren uns besonders wichtig. Die Boxen sind groß genug, um ein Kalb auch für einige Tage beim Muttertier zu belassen. Tiefboxen, breite Laufgänge, eine elektrische Kuhbürste, immer Zugang zum Auslauf und – wenn das Wetter mitspielt – zur Weide, große Trogtränken, kein Fressgitter sondern nur ein Fresszaun, all diese Dinge sollen dem Tierwohl dienen. Die automatische Zellzahlmessung, die unser Roboter durchführt, ermöglicht es uns, Kühe mit Mastitis schon sehr früh zu erkennen und zu behandeln. Wir führen standardmäßig zweimal im Jahr bei allen Tieren eine Klauenpflege durch. Dafür holen wir uns einen Spezialisten auf den Hof. Lahmheiten, die dazwischen auftauchen, behandeln wir selbst. Dazu haben wir einen Kippstand in einer Gemeinschaft angeschafft.
Welche Rolle spielt der Faktor Mensch im täglichen Miteinander auf dem Hof?
Der beste neue Stall, das beste und teuerste Spezialfutter, all das kann für uns eines nicht ersetzen: das Gefühl, das man für seine Tiere braucht.
Bei uns läuten die Alarmglocken, wenn eine Kuh sich nicht so verhält wie immer. Wenn sie zu lange nicht beim Roboter war, wenn sie nicht neugierig auf den Kübel mit Kraftfutter reagiert, wenn das Öffnen des Weidetors nicht Tag für Tag eine seltsame Ungeduld auslöst. Das gleiche gilt auch für unserer Kälber. Der Nuckeleimer muss etwas Spannendes sein, sonst hat das Kalb irgendein Problem. Wir sind leidenschaftliche Milchbauern und hoffen, dass wir das mit unserem neuen Stall auch in Zukunft sein dürfen.